2. 12. 2020

Jüdisches Leben in Gotha: Bewegende Filme von Jugendlichen über Erinnerungskultur

An was wollen wir gemeinsam wie erinnern? Sieben Jugendliche und junge Erwachsene im Alter von 13 bis 19 Jahren aus dem Landkreis Gotha haben sich im Rahmen des Ferienworkshops „Memory Walk“ mit Kamera und Mikrofon in die Stadt aufgemacht, um über diese Fragen mit Menschen vor Ort ins Gespräch zu kommen. Herausgekommen sind zwei sehenswerte und bewegende Kurzdokumentationen, die ab jetzt online unter anderem auf unserem YouTube-Kanal zu sehen sind.

Im Mittelpunkt des Films von Tom, Levin und Robby steht eine Gedenktafel, die an die Deportationen jüdischer Mitbürger vom Gothaer Bahnhof in den 1940er Jahren erinnern soll, gleichwohl an einem denkbar ungeeigneten Ort angebracht ist. Antonia, Mascha, Viktoria und Ulrike haben sich in ihrem Beitrag mit dem Umgang eines mindestens ebenso sensiblen Erinnerungsortes auseinandergesetzt: Am Standort der bei den Novemberpogromen 1938 zerstörten Gothaer Synagoge wurde in diesen Tagen ein Fachmarktzentrum („Altstadtforum“) eröffnet, in das ein neugestaltetes Denkmal integriert ist.

Mit ihrem Angebot, Film-Workshops außerhalb ihrer musealen Räume zu veranstalten, gestaltet die Stiftung Schloss Friedenstein Gotha den Strukturwandel aktiv mit, in dem sich die Kulturinstitutionen derzeit befinden. „Es geht um Fragen der Verantwortung und der gesellschaftlichen Relevanz“, sagt Christoph Mauny, Referent für Vermittlung. Er hat das Bildungsprojekt zusammen mit den Medienpädagogen Kerim Somun und Michał Żak betreut und sieht es dauerhaft im Bildungsprogramm der Stiftung. Mauny ist beeindruckt davon, was die Jugendlichen in nur drei Tagen auf die Beine gestellt haben, und angetan von dem Sprung, den sie individuell gemacht haben: Sie hätten gelernt auf Menschen zuzugehen, nachzufragen, zu hinterfragen wie auch zu filmen und schneiden. Er sagt: „Es ist ein Glück für eine Stadt, wenn sich junge Menschen so engagiert einbringen wollen. Und ebenso für den Erlebnis- und Bildungsort Friedenstein, der ja nicht nur die herzogliche Kunst- und Naturaliensammlung bewahrt, sondern auch die Sammlung zur Landes- und Stadtgeschichte. Wir verstehen uns als ein Museum in Bewegung, eines, das immer wieder auch die Komfortzone eines ‚Barocken Universums‘ verlässt und in den Sozialraum vorstößt, um die Menschen dort abzuholen, wo sie räumlich und gedanklich sind. Die Filme zeigen, was für ein gestalterisches Potenzial in diesem Dialog steckt.“

Die Filme entstanden im Rahmen von „1939.2019 – Vielfalt lokaler Erinnerungen“, eine Kooperation zwischen dem Anne Frank Zentrum in Berlin und der Stiftung Schloss Friedenstein Gotha. Das Format „Memory Walk“ basiert auf der Idee des Anne Frank House in Amsterdam, junge Menschen zu ermutigen, sich aktiv mit der Geschichte des Nationalsozialismus und der Shoa anhand der spezifischen Geschichte ihres Ortes auseinanderzusetzen. Gefördert wurde das partizipative Projekt durch das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat im Rahmen des Bundesprogramms „Zusammenhalt durch Teilhabe“.

Die Filme sind ab sofort auf YouTube zu sehen:

Memory Walk in Gotha | Gedenktafel am Bahnhof

https://youtu.be/NaEyR-icLsw

Memory Walk in Gotha | Denkmal für die Synagoge

https://youtu.be/-u1CyKk_6Qk