1. 10. 2020

Die „Kindergen“ sind wieder komplett! Nach 75 Jahren ist eine aus Bernstein geschnitzte Figur nach Gotha zurückgekehrt

Die „Kindergen“ sind wieder komplett! Nach 75 Jahren ist eine aus Bernstein geschnitzte Figur nach Gotha zurückgekehrt. Heute hat Dr. Dagmar Täube, Leiterin des St. Annen-Museums Lübeck, im Festsaal von Schloss Friedenstein der Stiftung einen Putto übergeben, der seit 1945 vermisst war.

Gemeinsam mit Stiftungsdirektor Dr. Tobias Pfeifer-Helke und der wissenschaftlichen Mitarbeiterin Ute Däberitz hat sie den Amor in einer Vitrine platziert. Dort thront er nun auf einem kleinen Sockel inmitten der dazugehörigen Figuren, die in Gotha verblieben waren. Für die Besucher wird der Putto im Anschluss wieder in seinem ursprünglichen Kontext, in der Friedensteinschen Kunstkammer, präsentiert werden – vereint mit den drei anderen „Kindergen von Birnstein“ wie sie im Kunstkammerinventar von 1764 bezeichnet werden.

„Wir arbeiten derzeit an der Aufarbeitung des Sammlungsbestandes von etwa 500.000 Objekten im St. Annen-Museum. Im Zuge dieser Arbeiten hat mich eine Fotoanfrage aus Gotha auf diesen speziellen Fall aufmerksam gemacht. Es war schnell klar, dass wir das Stück gerne in die Hände der ursprünglichen Besitzer zurückgeben wollten und freuen uns, dass wir einen kleinen Beitrag leisten können, die Sammlungen des Schlosses wieder zu vervollständigen“, so Täube.

In der Verlustdokumentation der Gothaer Kunstsammlungen Band I trägt das Objekt unter den vermissten kunsthandwerklichen Objekten aus Bernstein die Nummer 2: „Amor, Bernstein, Messing, Meister unbekannt, Höhe: 11,5 Zentimeter.“ Der Eintrag ist mit einem Sternchen versehen, das bedeutet, dass eine Abbildung vorhanden ist. Auf dem etwas unscharfen Foto in Schwarz-Weiß ist ein pausbäckiges Figürchen zu sehen, das mit Pfeil und Bogen in die Ferne zielt. Genau dort befand sich dieser kleine Bogenschütze, genauer in Lübeck, in der kulturhistorischen Abteilung des St. Annen-Museums.

Die Stiftung Schloss Friedenstein Gotha ist außerordentlich dankbar, dass sich die Direktion des St. Annen-Museums nun entschieden hat, die Bernsteinfigur zurückzugeben. Sie folgt damit den Beispielen des Museums Schnütgen, des Suermondt-Ludwig-Museums und des Toledo Museum of Art, die in den letzten Jahren ebenfalls Kunstwerke restituiert haben. Stiftungsdirektor Dr. Tobias Pfeifer-Helke sagt: „Im Laufe der Nachkriegsjahrzehnte ist die Erinnerung an den tatsächlichen Reichtum der Friedensteinschen Sammlung verblasst. Mit jedem Stück aber, das nach Gotha zurückkehrt, erhält die Sammlung ein Stück ihrer Strahlkraft zurück. Wir danken dem St. Annen-Museum daher sehr, dass sie die ‚Kindergen‘ nun wieder komplettiert haben.“

Der Bogenschütze gehört zu einem Ensemble von „Vier Kindergen von Birnstein, jedes auf einem Postament / 1. hat eine Masque vor dem Gesicht / 2. mit Bogen und Pfeilen / 3. hält ein Hertz in der Hand / 4. spielet auf einer Violin“, wie es im Inventar der Kunstkammer des Schlosses Friedenstein von 1764 (fol. 196v) heißt, wo die Figur erstmals „aktenkundig“ wurde.

Die „Kindergen“ Nr. 1., 3. und 4. befanden sich noch im Schloss Friedenstein, als die Rote Armee im Sommer 1945 die Sammlungen beschlagnahmte, um sie im Frühjahr 1946 in die Sowjetunion abzutransportieren. Der kleine Bogenschütze war jedoch zuvor bereits aus einer der eingelagerten Kisten in der Fürstengruft entwendet worden. 1950 wurde der Putto vom Hamburger Kunsthändler Kurt Nass angeboten und vom St. Annen-Museum in Lübeck für 400 DM erworben.

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