27. 03. 2022

Neuwerbung für die Gothaer Sammlung: Oberhofmarschall von Studnitz kehrt im Porträt an seine ehemalige Wirkungsstätte zurück

Über 50 Jahre lang stand Oberhofmarschall Hans Adam von Studnitz (1711–1788) in den Diensten der Herzöge von Sachsen-Gotha-Altenburg. Seine Bedeutung für den Gothaer Hof war groß, die bildlichen Darstellungen von Studnitz‘ in den Friedensteinschen Sammlungen sind jedoch spärlich. Dank der Ernst von Siemens Kunststiftung, der Kulturstiftung Gotha und des Freundeskreises Kunstsammlungen Schloss Friedenstein Gotha e. V. konnte die Stiftung Schloss Friedenstein Gotha nun ein fast lebensgroßes Bildnis des Oberhofmarschalls im Kunsthandel erwerben. Es wurde heute im Herzoglichen Museum der Öffentlichkeit präsentiert und wird von nun an die Gothaer Gemäldesammlung ergänzen.

Das im Jahr 1761 entstandene, qualitativ überzeugende Gemälde fertigte Johann Georg Ziesenis – Hofmaler des Kurfürsten von Hannover und Königs von England Georg III an. Es zeigt Hans Adam von Studnitz auf einem gepolsterten Armlehnstuhl an einem Schreibtisch sitzend, in der rechten Hand eine Tabakdose, in der linken einige Schriftstücke haltend. Die Situation wirkt häuslich, ein scheinbar spontan eingefangener, privater Moment. Die Szene ist jedoch sorgsam arrangiert: Studnitz‘ elegante Kleidung aus pelzverbrämtem blauem Samt, sein Spitzenjabot und die Spitzenmanschetten unterstreichen den hohen Stand des Dargestellten. Subtil inszeniert wird der Rang des Hofmarschalls ebenfalls durch die Luxusgüter zu seiner Linken, eine feine Porzellantasse mit Trinkschokolade und Gebäck.

Der gebürtige Oberschlesier von Studnitz war mit seiner Ernennung zum Oberhofmarschall im Jahr 1758 einer der einflussreichsten und mächtigsten Männer bei Hofe in Gotha. Zuvor hatte er dort eine steile Karriere durchlaufen: Nach dem Studium der Rechtswissenschaften wurde von Studnitz 1734 zunächst Hofjunker, ab 1744 war er als Reisemarschall für die Organisation der fürstlichen Reisen verantwortlich. Bereits drei Jahre später nahm er als Geheimer Legationsrat Einfluss auf die Außenpolitik des Herzogtums, das er auch auf dem Reichstag zu Regensburg vertrat. 1755 wurde Studnitz zum Hofmarschall ernannt und war nun oberster Verwaltungsbeamter des Hofes.

Als Oberhofmarschall hatte er unmittelbaren Einfluss auf Hofkultur, Hofkapelle und höfisches Theater. Besondere Verdienste erwarb er sich mit der Gründung des Gothaer Hoftheaters 1775 – des ersten stehenden deutschsprachigen Hoftheaters. Von Studnitz wirkte nicht nur an dem Reglement mit, das alle Bestimmungen zum Betrieb des Theaters enthielt, sondern kümmerte sich auch darum, dass alle organisatorischen, technischen und baulichen Voraussetzungen für einen regelmäßigen Spielbetrieb geschaffen wurden. Anteil hatte er auch an der Einführung der ersten Pensionskasse für Schauspieler 1776 – eine wegweisende Neuerung in Deutschland.

Das nun erworbene Gemälde ist auch historisch interessant: Die Forschung ging bisher davon aus, dass der Kontakt zwischen dem Gothaer Hof und Johann Georg Ziesenis erst gegen 1768 zustande kam. Erbprinz Ernst II. von Sachen-Gotha-Altenburg hatte in diesem Jahr seine Tante Augusta, die Mutter des englischen Königs, besucht und unmittelbar danach die Dienste des Hofmalers in Anspruch genommen. Das daraufhin entstandene Porträt des Erbprinzen befindet sich heute in den Staatlichen Museen zu Berlin. Das Gemälde von Studnitz‘, das bereits 1761 entstanden ist, deutet jedoch darauf hin, dass die Verbindung bereits wesentlich früher bestand.

Das Gemälde ist nun im Saal der deutschen Malerei des Herzoglichen Museums zu sehen. Zukünftig wird es im Rahmen der geplanten Theaterausstellung im Westturm von Schloss Friedenstein gezeigt werden.


Kurzinformationen zum Gemälde:

Johann Georg Ziesenis d.J. (1716–1776)
Der Gothaer Oberhofmarschall Hans Adam von Studnitz, 1761
Öl auf Leinwand (doubliert), 91,8 x 75,8 cm

Provenienz: Im Besitz Hans Adam Freiherr von Studnitz’; Familie von Wangenheim, Schloss Fuchshöfen, Ostpreußen (heute Slawjanskoje, bei Kaliningrad); durch Erbfolge an die Familie von Bassewitz, Fuchshöfen, später Gotha; durch Erbfolge Privatbesitz, Norddeutschland; Kunsthandel Berlin 2021; Ankauf für die Stiftung Schloss Friedenstein Gotha; Übergabe 2022.


Statements:

Bei Auktionen zählt Geschwindigkeit und Diskretion. Das klappt mit den Partnern aus Gotha immer hervorragend und dann ist es für uns ein Vergnügen, den Ankauf des Porträts eines für das barocke Gotha so wichtigen Oberhofmarschalls zu ermöglichen!

Dr. Martin Hoernes, Generalsekretär der Ernst von Siemens Kunststiftung

Wir sehen es als eine wichtige Aufgabe des Freundeskreises an, die Gothaer Sammlungen weiter zu stärken. Nachdem dieses Gemälde auf dem Kunstmarkt auftauchte, war es für uns ein Muss, dass der Freundeskreis sich für dieses Objekt mit einsetzt. Nach den Zusagen der Ernst Siemens Stiftung und die Kulturstiftung Gotha zur gemeinsamen Finanzierung haben wir gerne bei der Auktion den Ankauf des Gemäldes für Gotha gesichert. Dieser Erwerb ist ein gutes Beispiel wie mit gemeinsamen Anstrengungen gute Erfolge erzielt werden können.

Klaus Kleinsteuber, Vorsitzender des Freundeskreises Kunstsammlungen Schloss Friedenstein Gotha e.V.

„Hans Adam von Studnitz hat Thüringen den schönen Rokokosaal in Wechmar geschenkt. Ich habe diesen als Ruine gesehen und durfte mithelfen, als es hieß ‚Auferstanden aus Ruinen und der Zukunft zugewandt‘. Sein einziges Gemälde heute in Gotha zwischen Studnitz-Pyramide und Landhaus Studnitz zu wissen, ist ein beglückendes Gefühl.“

Knut Kreuch, Oberbürgermeister / Vorsitzender der Kulturstiftung Gotha

„Der Erwerb dieses wundervollen Gemäldes ist ein mehrfacher Gewinn für die Gothaer Sammlungen: Einmal natürlich aufgrund der hohen Relevanz des Freiherrn von Studnitz für Gotha, von dem bisher nur eine grafische Darstellung in den Sammlungen existierte. Künstlerisch veranschaulicht es darüber hinaus die Kunst der damaligen Porträtmalerei auf höchstem Niveau. Das zeigt sich gerade in scheinbar nebensächlichen Details, wie etwa der Darstellung von Samt, Pelz und Spitze der Kleidung oder der Tabatière und Schokoladentasse, die auf subtile Weise den hohen Stand des Dargestellten zeigen und für den heutigen Betrachter höchsten Kunstgenuss garantieren.“

Dr. Timo Trümper, Direktor des Referats Wissenschaft und Sammlungen, Stiftung Schloss Friedenstein Gotha


Literatur zu von Studnitz:

Anlässlich des 225. Todestages des Gothaer Hofmarschalls am 16. Oktober 2013 ist folgende Publikation erschienen:

Der Pharao von Gotha – Oberhofmarschall Hanß Adam von Studnitz (1711–1788)
92 Seiten, zahlreiche Abb.
Reihe „Edition Residenzkultur“ (DMZ)
Stiftung Schloss Friedenstein Gotha 2013
ISBN 978-3-940998-21-7
5 Euro

Herzogliches Museum